Wohnungseigentum für Einsteiger

Treffen Sie eine informierte Entscheidung!

Wohnungseigentum ist eine feine Sache, denn es ermöglicht, zu überschaubaren Preisen eine Immobilie zu erwerben. Die kann nach eigener Wahl selber genutzt oder vermietet werden. Bei der Kaufentscheidung ist aber zu beachten, dass man nicht völlig Herr der eigenen vier Wände ist.

Risiken nüchtern bewerten

Sondereigentum, also das vom Käufer erworbene Alleineigentum, und Gemeinschaftseigentum, das sind die Gebäudeteile und Grundstücksflächen, die allen Eigentümern gemeinsam gehören, sind untrennbar miteinander verbunden. Das bedeutet, dass die Eigentümer gemeinsam über Reparaturmaßnahmen oder Änderungen entscheiden müssen. In einer harmonischen Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann das hervorragend gelingen. Andere Eigentümergemeinschaften sind regelmäßig in Gerichtsverfahren verwickelt, weil die Eigentümer untereinander zerstritten sind. Wer sich der Risiken des Wohnungseigentums bewusst ist, hat gute Aussichten, sie zu vermeiden.

Bausubstanz und Unterlagen prüfen

Wer Wohnungseigentum erwerben will, sollte immer die Bausubstanz von einem Architekten oder Bauingenieur prüfen lassen. Und zwar nicht nur die zu erwerbende Wohnung, sondern auch das Gemeinschaftseigentum, insbesondere Keller und Dach.

Außerdem sollte der Kaufinteressent unbedingt folgende Unterlagen gründlich prüfen:

  • Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung
  • Verwaltervertrag der WEG-Verwaltung

und bei bereits bestehenden WEGs:

  • Beschlusssammlung der WEG
  • Protokolle der Eigentümerversammlungen der vergangenen Jahre
  • Abrechnung der Verwaltung über das Wohngeld in den vergangenen Jahren
  • Höhe der Instandhaltungsrücklage

Aus diesen Unterlagen erfährt man viel über Klima und Umgang miteinander und die wirtschaftlichen Verhältnisse der WEG. Bisweilen findet sich auch ein noch nicht umgesetzter Beschluss zu Baumaßnahmen, der in Zukunft Kosten etwa in Form einer Sonderumlage auch für den Erwerber mit sich bringt.

Risikofaktor Mensch

Das größte Risiko eines werdenden Wohnungseigentümers sind die Miteigentümer. Aufgrund der engen Verflechtung von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum können Konflikte mit anderen Miteigentümern langwierig und quälend sein. Stellt sich heraus, dass es einen Miteigentümer gibt, der Freude daran hat, seine Einzelmeinung hartnäckig gegen alle anderen durchzusetzen, könnte dies Anlass sein, die Suche nach einer geeigneten Wohnung fortzusetzen. Schwierig kann es auch sein, wenn ein Eigentümer mehrere Wohnungen besitzt und auf diese Weise die Mehrheit in der Eigentümerversammlung innehat und faktisch auch noch die WEG-Verwaltung steuert. Ich empfehle daher, den Kontakt zu dem einen oder anderen künftigen Miteigentümer zu suchen. Ein solches Gespräch ist aufschlussreicher als schöne Prospekte und Broschüren.

Ich und die

Der zukünftige Wohnungseigentümer muss auch wissen, dass es ein langer Weg sein kann, bis die Eigentümergemeinschaft Maßnahmen beschließt, die er selbst für zwingend erforderlich oder selbstverständlich oder unproblematisch hält. Ist das Dach oder die Dachterrasse über der eigenen Wohnung undicht, möchte der Wohnungseigentümer, dass der Mangel schnellstmöglich und natürlich auf Kosten der WEG behoben wird, bevor es in seiner Wohnung zu größeren Schäden kommt. Doch wenn es um Geld geht, hört die Freundschaft bekanntlich auf und womöglich teilen nicht alle Eigentümer die Auffassung des Betroffenen, dass ein Mangel auf Kosten der WEG zu beseitigen ist.

Stimmt die Kasse?

Wenn sich die Eigentümer einig sind, dass die WEG eine bestimmte Maßnahme durchzuführen hat, fällt als nächstes der Blick auf die Instandhaltungsrücklage. Ist dieses Konto leer und das Dach muss trotzdem schnellstmöglich saniert werden, werden alle Eigentümer in Form einer Sonderumlage zur Kasse gebeten. Bei größeren Maßnahmen können da schnell mal einige tausend Euro für jeden Eigentümer zusammenkommen.

Notar berät nicht!

Achtung: Der Beurkundungstermin beim Notar ist kein Beratungsgespräch! Der Notar ist neutraler Mittler zwischen Verkäufer und Käufer und muss die Parteien nur auf besonders bedeutende Risiken hinweisen. Diese Hinweise sind kein Ersatz für die fachkundige Untersuchung des Kaufobjekts durch einen Baufachmann und die Beratung durch einen Anwalt, der Erfahrung in WEG-Angelegenheiten hat. Das Zauberwort heißt: informierte Entscheidung. Wenn der Käufer sich rechtzeitig kundig macht, worauf er sich einlässt, kann er von den Vorteilen des Wohnungseigentums profitieren und die damit verbundenen Risiken beherrschen.

 

Percy Ehlert,

Maître en Droit Rechtsanwalt und Mediator Immobilien- und Baurecht

 

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