Verhandlungstaktik bei Baustreitigkeiten

Aug um Auge oder Schritt für Schritt?

Ich schreibe hier einige Überlegungen zum Umgang mit Streitigkeiten auf der Baustelle auf. Sie beruhen auf meinen persönlichen jahrelangen Erfahrungen als Anwalt in Bausachen. Jeder Leser kann sich heraussuchen, was ihm passend erscheint. Und es wird immer wieder vorkommen, dass ich selber mich an meine eigenen Hinweise nicht halte.

1. Gut vorbereitet sein

Die wichtigste Voraussetzung, um einen Konflikt in Bausachen erfolgreich zu bestehen, ist eine gute Vorbereitung. Kenne ich den Sachverhalt vollständig, um den sich der Streit dreht? Wenn nein: Was brauche ich, um es herauszufinden? Welche konkreten Maßnahmen müssen als nächstes passieren, damit es weitergeht? Wie ist die Lage baufachlich zu bewerten? Wie ist die Rechtslage? Wie ist es um meine Finanzen bestellt? Wenn alle diese Fragen beantwortet sind, habe ich ein realistisches Bild meiner Handlungsoptionen. Meine Möglichkeiten realistisch einzuschätzen gibt mir Souveränität in diesem Rahmen.

Zu einer guten Vorbereitung gehört auch, rechtzeitig die Hilfe von Fachleuten in Anspruch zu nehmen, ob das nun ein Architekt, ein Anwalt oder auch ein Finanzierungsfachmann ist.

Banal, aber wahr: Wer gut ausgeruht zur Besprechung mit der anderen Konfliktpartei kommt, hat gute Aussichten, auf dem Teppich zu bleiben. Wer müde ist, ist reizbar. Die Gehirnforscher bestätigen, dass Menschen nur in begrenztem Umfang unangenehme Informationen verarbeiten können.

2. Eskalation vermeiden

Wie befriedigend kann es sein, herzhaft mit der Faust auf den Tisch zu hauen und der anderen Seite eine schneidige Ansage machen. In Ordnung, nur sollte man vorher wissen, wie man aus der Nummer wieder rauskommt. Wenn erstmal eine Dynamik entsteht, dass ein Wort das andere gibt und sich die Sache hochschaukelt, wird es aus Prinzip keine Lösung geben.

Ein Beitrag dazu kann sein, den anderen nicht gleich mit dem Anwalt zu kommen. Aber man kann trotzdem schon gleich die Hilfe des Anwalts in Anspruch nehmen. Der untersucht die Situation und schickt seinem Mandanten dann ein Schreiben, dass der unter eigenem Briefkopf oder als persönliche Mail an die andere Seite verschickt.

Dabei kann es hilfreich sein, die eigene Sicht der Dinge nicht als absolute Wahrheit darzustellen. Sowohl bei schriftlicher Darstellung wie auch im Gespräch kann ich formulieren: Nach meiner Kenntnis liegen folgende Umstände vor… . Aufgrund der mir bekannten Umstände bewerte ich die Lage so und so. Damit vermeide ich es, die Gegenseite mit einem nackten Ergebnis zu provozieren, sondern ich lege den Weg dahin offen. Wenn ich bei meiner Meinungsbildung wichtige Umstände nicht gekannt oder übersehen habe, kann mich die andere Seite korrigieren. Und ich kann, wenn nötig, ohne Gesichtsverlust meine Position korrigieren.

Offene Fragen stellen hilft. Statt zu eröffnen mit: „Sie müssen ja wohl zugeben, dass …“, kann ich fragen: „Wie stellt sich die Sache aus Ihrer Sicht dar?“ Wenn ich nicht begreife, wie die andere Seite zu ihrer Auffassung kommt, hat mir schon oft der Satz geholfen: „Ich lerne gerne dazu. Seien Sie doch bitte so freundlich, mir zu erklären, wie Sie zu Ihrem Ergebnis kommen.“

3. Gegenüber achten

Ich versuche immer, mein Gegenüber als Mensch zu achten. Und ich gebe zu, dass mir das bei manchen Leuten sehr schwer fällt. Ich brauche die Meinungen und Handlungen meines Gegenübers nicht gutzuheißen. Aber zu verstehen, warum er so denkt und handelt, hilft mir, für mich ein gutes Ergebnis zu erreichen.

4. Konflikte portionieren

Wenn sich ein Berg von Streitfragen aufgetürmt hat, kriegt man den nicht in einem Ruck beseitigt. Mit einer solchen Erwartung setzt man sich selber unnötig unter Druck. Es macht Sinn, sich anzusehen, welche einzelnen Streitfragen auf dem Tisch liegen. Vielleicht sind ein paar dabei, die man ohne großen Aufwand geklärt bekommt. Dann ist der Berg schon nicht mehr ganz so groß. Und außerdem: Auch kleine Lösungen schaffen Vertrauen. Das hilft bei der Suche nach der Lösung für die großen Streitfragen.

5. Großzügigkeit

Ich bin ein Verfechter der Linie, sich sorgfältig und detailliert vorzubereiten. Aber ich meine auch, dass man kein Pfennigfuchser sein darf, wenn es zu einer Einigung kommen soll. Eine gewisse Großzügigkeit zur rechten Zeit ist sehr hilfreich, und zwar schon während der Verhandlungen. Warum nicht mal der anderen Seite ein Kiste Wein schicken, um so die gröbsten Irritationen zu mildern und Bereitschaft zur Verständigung zu signalisieren?

 

Percy Ehlert
Rechtsanwalt und Mediator
Immobilien- und Baurecht

 

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