Unzulässiges Nachbarbauvorhaben

Abwehrrechte bei störender Nutzung oder unzumutbarer Bebauung

Ständiger gewerblicher Partybetrieb im Nachbargebäude? Gewerbliche Tierhaltung auf dem Nachbargrundstück? Hohe Mauern oder ausgebaute Bungalows direkt an der Grundstücksgrenze? Ein riesengroßer Kinderspielplatz gleich nebenan? Oder ein riesiger Supermarkt, der mit ebenso riesigen LKW gleich unterhalb des eigenen Balkons beliefert wird? All das wünscht sich kein Eigentümer, der im eigenen Haus und Garten Ruhe haben möchte.

Welche Belästigungen muss ein Eigentümer hinnehmen? Wogegen darf er sich wehren? Die Antwort darauf findet sich in der Bauordnung, dem Baugesetzbuch, der Baunutzungsverordnung und der TA Lärm.

Die erste Einordnung, was geht und was nicht, kann sich im Grunde jeder selbst geben. Wer in einer belebten Geschäfts- und Durchgangsstraße ein Haus oder eine Wohnung kauft, darf keine Waldidylle erwarten. Umgekehrt gilt bei ambitionierten Projekten für Neubau oder eine geänderte Nutzung: Wenn es in der näheren und ähnlich strukturierten Umgebung keine vergleichbaren Bauwerke oder Nutzungen gibt, muss der Bauantrag sehr gut begründet sein.

Nutzungsänderung

Wenn die Art der Nutzung eines Gebäudes (oder auch nur einer Gewerbeeinheit) geändert wird, ist das rechtlich wie ein Neubau zu bewerten. Der Betreiber muss dann beim Bauamt eine Genehmigung einholen. Manche Betreiber „vergessen“ das. Ein Nachbar, der sich durch den neuen Betrieb belästigt fühlt, z.B. weil er zu laut ist, kann beim Bauamt Akteneinsicht beantragen und eine Anzeige erstatten. Wenn keine Genehmigung beantragt und der Betrieb nach den örtlichen Gegebenheiten auch nicht genehmigungsfähig ist, muss das Bauamt eine Nutzungsuntersagung aussprechen.

Bebauungsplan

Welche Nutzung und welche Bauart wo zulässig ist, ergibt sich in vielen Fällen aus einem Bebauungsplan. Den erlässt in Berlin das Bezirksamt und in Brandenburg die Gemeinde oder die Stadt. Mit dem Bebauungsplan wird für einen Ortsteil bestimmt, ob dieser z.B. ein allgemeines Wohngebiet, ein Mischgebiet oder ein Gewerbegebiet sein soll. Der Bebauungsplan kann auch festlegen, wie hoch die Häuser sein dürfen oder müssen oder welcher Anteil der Grundstücksfläche höchstens überbaut werden darf. Ergänzend gilt dann immer die Baunutzungsverordnung (BauNVO). Für typische Baugebiete, wie etwa das allgemeine Wohngebiet, definiert die BauNVO insbesondere, welche Nutzung zulässig ist.

Kein Bebauungsplan

Wenn es keinen Bebauungsplan gibt, und das kommt auch oft vor, definiert sich ein Ortsteil baurechtlich praktisch aus sich selbst heraus. Man prüft dann, welche Ortsteile so homogen sind, dass sie ein einheitliches Baugebiet darstellen. Im nächsten Schritt prüft man dann, ob eines der Baugebiete aus der BauNVO für diesen Ortsteil passt. Dann sind die Regeln aus der BauNVO auch für diesen Ortsteil verbindlich.

Unrechtmäßige Genehmigung

Immer wieder gibt es Baugenehmigungen, die niemals hätten ergehen dürfen. Korruption? Politische Einflussnahme? Man weiß es nicht. Am Schöneberger Ufer in Berlin gibt es zum Beispiel einen stadtbekannten Club, in dem jedes Wochenende gut besuchte Parties steigen. Offiziell handelt es sich um ein Restaurant. Selbst das hätte nicht genehmigt werden dürfen. Und die Besucher sind angeblich allesamt geladene Gäste. Die Bewohner des Nachbarhauses können darüber schon lange nicht mehr lachen.

Ein vergleichbarer Skandal ist eine Baugenehmigung für ein viergeschossiges Gebäude mit mehreren Aufgängen in einem Ortsteil, in dem es sonst nur Einfamilienhäuser gibt.

Abwehr

Kein Nachbar braucht sich so eine unrechtmäßige Baugenehmigung gefallen lassen. Sobald ein Nachbar von einer Baumaßnahme oder Nutzungsänderung erfährt, die er für nicht rechtmäßig hält, sollte er möglichst rasch beim Bauamt Widerspruch einlegen. Wenn ihm die Baugenehmigung  vom Bauamt förmlich bekannt gegeben worden ist, hat er für den Widerspruch nur einen Monat Zeit. Ohne Bekanntgabe an den Nachbarn gilt eine Widerspruchsfrist von einem Jahr, wenn der Nachbar z.B. aufgrund von Bauarbeiten davon ausgehen musste, dass eine Baugenehmigung erteilt worden ist.

Außerdem sollte und muss der Nachbar dann immer auch gleich beantragen, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung haben soll. Sonst wird das Bauvorhaben fertiggestellt, bevor noch der Widerspruch entschieden ist.

Unzumutbar große Bauvorhaben oder unerträglich laute Nutzungen braucht niemand hinzunehmen. In solchen Fällen empfehle ich, Gleichgesinnte zu suchen und mit Entschlossenheit, Geduld und Konsequenz für die eigenen Rechte einzutreten.

 

Percy Ehlert
Rechtsanwalt und Mediator
Immobilien- und Baurecht

ehlert@pielsticker.de

 

 

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