Streiten und Verhandeln

Konflikte in Bausachen aus Sicht eines Anwalts

Wenn Konflikte auf der Baustelle zu Streitigkeiten bei Gericht werden, sind Bauherr und Auftragnehmer zu Beginn des Verfahrens felsenfest davon überzeugt, dass die eigene Position richtig ist. Und sie glauben, dass dies auch jeder vernünftige Mensch bestätigen wird. Merkwürdig ist nur, dass beide Seiten so denken.

Nach meiner Erfahrung kommt es im Baurecht aber nie vor, dass ein unstreitiger Sachverhalt vorliegt. Immer bleiben Ungewissheiten, ob und was wann wie geschehen ist. Die Streitparteien unterschätzen außerdem fast immer, wie schwierig die Beweisführung ist. Und schließlich kann und will das Gericht sich irgendwann nicht mehr mit jeder einzelnen Steckdose befassen. Hinzu kommt, dass die Gesetze die Fülle der möglichen Streitfälle zwar vielleicht einigermaßen ordnen, aber niemals vollständig erfassen können. Deshalb ist es den Gerichten kaum möglich, zu einem Urteil zu kommen, das beiden Streitparteien einleuchtet und von ihnen akzeptiert wird.

Um nicht missverstanden zu werden: Es ist sehr wichtig, dass es Regelungen zum Baugeschehen gibt und Gerichte, die einen Streit nach Recht und Gesetz durch eine unabhängige Entscheidung beenden. Denn gäbe es die Gerichte nicht, würde der Streit auf der Baustelle mit Vorschlaghammer und Armierungseisen ausgetragen werden. Meine Überzeugung ist aber auch: Wenn zwei sich bei Gericht über Bausachen streiten, zahlen beide drauf! Häufig führen die Schwierigkeiten des gerichtlichen Verfahrens dazu, dass die Streitparteien nach einer Verfahrensdauer von 18 Monaten und länger erschöpft sind und sich auf einen Vergleich einlassen, den sie zu Beginn des Verfahrens empört zurückgewiesen hätten.

Meine Leidenschaft als Anwalt ist es, andere Menschen zu unterstützen, tolle Projekte zu verwirklichen, wie zum Beispiel den Traum vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung. Meine Aufgabe sehe ich darin, mögliche Konflikte frühzeitig zu erkennen und die Auswirkungen mit dem Mandanten zu durchdenken. Anschließend mag es sinnvoll sein mit der anderen Seite zu verhandeln, wie ein Interessengegensatz zur Zufriedenheit beider Seiten behoben werden kann. Das kann bedeuten, den Vertrag zwischen den Parteien anzupassen und Regeln für mögliche zukünftige Konflikte zu vereinbaren. Erst, wenn es keine Möglichkeit für eine Verständigung mehr zu geben scheint, ist es an der Zeit, ein Gericht über den Streit entscheiden zu lassen. Viele Mandanten und auch manche Kollegen halten die Tätigkeit bei Gericht für die wichtigste Aufgabe des Anwalts. Aus meiner Sicht ist ein Gerichtsverfahren dagegen das letzte Mittel.

Je früher der Mandant sich von einem Anwalt beraten lässt, umso wirksamer und kostengünstiger kann der Anwalt seinen Mandanten unterstützen. In einem frühen Stadium können Konflikte meist noch ohne große Empörung und zu überschaubaren Kosten geklärt werden. Um einen Streit beizulegen, beschäftige ich mich nicht nur mit den Paragraphen des Baurechts, sondern empfehle den Mandanten auch schon mal, den verärgerten Nachbarn eine Kiste Wein zu schicken. Je länger ein Problem mitgeschleppt wird, umso teurer wird es. Meistens für beide Seiten. Auch für die Beratungskosten gilt: Kleiner Streit, kleine Kosten. Großer Streit, große Kosten.

 

In manchen Fällen mag die beste Lösung sein, sich rechtzeitig und einvernehmlich zu trennen. Denn gerade Prozesse über einseitig ausgesprochene Kündigungen können astronomische Kosten nach sich ziehen. Das ist wie bei einer Scheidung. Entweder haut man das gesamte Porzellan in Stücke. Oder man handelt einen Aufhebungsvertrag aus und trennt sich respektvoll.

Allen, die sich unbedingt streiten möchten, empfehle ich ein Budget mindestens in Höhe von einem Drittel der Baukosten und jede Menge Zeit einzuplanen. Wer das nicht will, bezieht von Anfang des Projekts an einen Anwalt mit ein, der den Mandanten berät und freundlich aber entschieden dessen Interessen vertritt.

 

Percy Ehlert

Rechtsanwalt Immobilien- und Baurecht

 

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