Ist das eine Villa, oder kann das weg?

Gerichtspoesie zur Erhaltungssatzung

„Die ursprüngliche Bezeichnung der Villa als (römisches) Landhaus und Herrenhaus des Landeigentümers wurde im 19. Jahrhundert auf das freistehende Haus des Großbürgers übertragen, das oft am Stadtrand oder in Villenvierteln errichtet wurde und zu dessen charakteristischen Eigenheiten Vorgärten, Veranden, offene Balkone, Erker und Türmchen in möglichst malerischer Komposition zählen.“

Das ist der Leitsatz einer Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein aus dem Oktober 2018. Wie ich meine, ein verdienstvoller Beitrag des Gerichts zur Bestimmung eines weithin ungeklärten Rechtsbegriffs! Allerdings ahnen wir, dass das Tatbestandsmerkmal der „möglichst malerischen Komposition“ eine gewisse Unschärfe aufweist, die die weitere Rechtsanwendung womöglich vor gewisse Folgeprobleme stellen wird.

Das Zitat stammt aus einer Entscheidung, die in Bezug auf eine Erhaltungssatzung ergangen ist. Ein Unternehmen wollte auf zwei Grundstücken die beiden dort seit Jahrzehnten bestehenden Gebäude abreißen und die Grundstücke mit mehreren kleineren Gebäuden neu bebauen. Jedoch war für dieses Gebiet kurz zuvor der Beschluss über die Aufstellung einer Erhaltungssatzung ergangen. Daher verfügte die Stadt die Zurückstellung der Bauvoranfrage und untersagte den Abriss der bestehenden Gebäude.

Der Zweck einer solchen Satzung soll sein, die städtebauliche Eigenart eines Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt zu erhalten. Was aus Sicht einer Stadt oder Gemeinde erhaltenswert ist, dazu gibt es einen gewissen Entscheidungsspielraum. Das kann eben auch ein „Villengebiet“ sein. Zu klären, was genau ein „Villengebiet“ ist, darum hat sich das OLG Schleswig-Holstein bemüht.

Bei Neubauvorhaben kann bei Geltung einer Erhaltungssatzung die Schwierigkeit darin liegen, dass neben dem Bauordnungsrecht und dem grundsätzlich immer zu beachtenden Bauplanungsrecht (§ 34 BauGB oder Bebauungsplan) weitere Bedingungen zu erfüllen sind. Und insbesondere kann eben auch untersagt werden, Bestandsgebäude zu beseitigen, wesentlich zu verändern oder die Art der Nutzung zu ändern.

Die Stadt oder Gemeinde muss den zu schützenden Bestand mit dem Satzungsbeschluss nicht notwendig parzellen- oder grundstücksscharf erfassen. Die Rechtsprechung eröffnet den Satzungsgebern die Möglichkeit, die Grenzen des Satzungsgebiets mit einer gewissen Großzügigkeit und Pauschalität festzulegen. Das wird damit gerechtfertigt, dass nicht schon alle Einzelfallentscheidungen bei Satzungserlass getroffen werden, sondern das Genehmigungsverfahren für das jeweilige Vorhaben dann die Möglichkeit eröffnet, die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Da es auf ein Gesamtbild ankommt, können auch bestehende Gebäude, die selber nicht unmittelbar zu dem durch die Satzung zu schützenden Bestand zählen, von einer solchen Satzung betroffen werden. Da es um die Erhaltung eines von mehreren Faktoren geprägten Orts- oder Straßenbildes geht, können so auch Gebäude ohne „Veranden, offene Balkone, Erker und Türmchen in möglichst malerischer Komposition“ Teil eines „Villengebiets“ sein.

Bei einer städtebaulichen Erhaltungssatzung geht es nicht um Denkmalschutz. Im Einzelfall können Erhaltungssatzung und Denkmalschutz zwar zusammenfallen, aber das ist nicht zwingend. So kann ein Gebäude oder Ensemble denkmalgeschützt, aber nicht von seiner Erhaltungssatzung betroffen sein. Umgekehrt mögen im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung zwar einige denkmalgeschützte Gebäude zu finden sein, müssen aber nicht.

Auf die „malerische Komposition“ kam es in der Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein dann übrigens letztlich doch nicht an.

Rechtsanwalt Percy Ehlert
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