Immobilienkauf & Altlasten

PRÜFEN, PRÜFEN UND NOCHMALS PRÜFEN

 

Die Beseitigung sogenannter Altlasten, also von Erde und Gebäudeteilen, die durch umweltbelastende Stoffe kontaminiert wurden, ist zeitaufwändig und kostenintensiv. Versteht sich, dass Immobilienkäufer hier keine unangenehmen Überraschungen erleben wollen – nur wie können sie sich absichern?

 

Wenn Dr. Volker Hahn von Altlasten spricht, geht es bei ihm nicht um einen einzelnen Öltank, den ein Vornutzer im Boden belassen hat. Hahn ist Leiter Legal & Compliance der in Bonn ansässigen IVG Immobilien AG, die unter anderem im eigenen Bestand Büroimmobilien mit einem Marktwert von 3.6 Milliarden Euro betreut; er spricht von größeren Flächen, die im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) belastet sind. Und diese Altlasten kriegt nicht jeder. Die muss man sich verdienen, sprich den Ruf erwerben, damit umgehen zu können. Beim Verkauf und Kauf solcher belasteter Immobilien müssen die Parteien die potentiell unbegrenzte Haftung auch eines ehemaligen Eigentümers nach den gesetzlichen Vorschriften im Blick behalten. Zwar könne man sich unter den Vertragsparteien auf Haftungsquoten verständigen, sagt Hahn, weißt aber im gleichen Atemzug darauf hin, dass im Falle einer Insolvenz des Vertragspartners die Vereinbarung nicht vor einer Inanspruchnahme durch die Behörden schütze.

 

Und manchmal muss der Vertragspartner nicht mal pleite gehen, damit einem die Kosten der Altlastensanierung auferlegt werden, wie IVG-Justiziar Hahn von einem für sein Unternehmen schmerzhaften Projekt erzählt: Ein bundesweit tätiger Entwickler hatte mit einer, wie sich später herausstellen sollte, unterkapitalisierten GmbH eine größere Fläche von der IVG übernommen. Die unbelasteten Teilflächen sollten vom Käufer für den Einfamilienhausbau entwickelt werden, die belasteten Flächen sollte er sanieren und dort Mehrfamilienhäuser bauen. Der Entwickler habe den ersten Teil erfüllt und mit der Entwicklung und dem Verkauf der Einfamilienhausgrundstücke ein schönes Geschäft gemacht. Als es aber an die Sanierung der belasteten Teilfläche ging, habe der Erwerber die Kommune auf die schwache Kapitalisierung seiner GmbH hingewiesen und angeregt, nach Bundesbodenschutzgesetz (Paragraph 4 Abs. 6) die IVG als Verkäuferin in Anspruch zu nehmen. Und so geschah es dann auch. Wie sich unschwer vorstellen lässt, war damit die Kalkulation des mit dem Verkauf zu erzielenden Erlöses zerstört. Aufgrund der Sensibilität des Altlastenthemas sollten der Halter belasteter Bestände als Verkäufer mögliche Kaufinteressenten sehr sorgfältig – auch juristisch – prüfen und begleiten.

 

Was also ist zu tun, um eine Immobilien-Transaktion mit Altlastenanteil sauber über die Bühne zu bringen? Ein seriöser Veräußerer wird sich, bevor er eine Fläche auf den Markt bringt, zunächst selber eine verlässliche Einschätzung verschaffen, welche Belastungen vorhanden oder zu erwarten sind. Das ist jedenfalls die Linie bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die im Auftrag des Bundes beispielsweise ehemals militärisch genutzte Flächen wieder an den Markt bringt. „Die BImA verkauft aufgrund einer internen Festlegung seit zwei Jahren keine Liegenschaften mehr, ohne sie zuvor auf kontaminationsbedingte Grundstücksrisiken untersucht zu haben“, sagt Rita Drude, die bei der BImA die Abteilung Verkaufsgrundsätze und das Kompetenzzentrum Konversion leitet. Der Grund für diese Vorgehensweise sei unter anderem, dass Kontaminationen das Planungsrecht und den Wert der Liegenschaften beim Verkauf maßgeblich beeinflussten. Kenntnis und Bewertung vor Verkauf seien einerseits für die Verkäuferin und potenzielle Käufer eine wichtige Kalkulationsgrundlage, andererseits aber auch für die Kommune als Trägerin der Planungshoheit für die von ihr festzulegende zivile Anschlussnutzung bedeutsam. Diese Faktoren sollten aus Sicht der BImA nicht infolge Unkenntnis über Gebühr über den Kaufpreis abgebildet werden.

 

Die Erkundung erfordert, sämtliche verfügbaren, insbesondere behördlichen Akten zu den Flächen auszuwerten. Bei zivilen Vornutzungen sind aber beispielsweise auch ehemalige Mietverhältnisse in die Prüfung einzubeziehen. Ergibt sich aus dem Aktenstudium ein Verdacht auf Bodenbelastungen, könnte sich eine rasterförmige Beprobung aller potentiell betroffenen Bereiche anschließen.

 

Kein seriöser Verkäufer wird es sich leisten, einem Käufer Altlasten einfach unterzujubeln. Denn sobald das Altlastenthema akut werden sollte, wird der Käufer versuchen die Behörden zu veranlassen, den Verkäufer auf der Grundlage des Bundesbodenschutzgesetzes in Anspruch zu nehmen. Vor allem aber, und davor warnt eindringlich IVG-Justiziar Hahn, hat der Käufer die Möglichkeit, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten oder Schadensersatz zu verlangen, sobald er von der Bodenbelastung erfährt. Der Verkäufer hat nämlich ungefragt über sämtliche Risiken aufzuklären, die ihm bekannt sind oder die er für wahrscheinlich hält, sofern sie für die Entscheidung des Käufers von Bedeutung sein können. Das ist jedenfalls immer dann der Fall, wenn ein mögliches Risiko die vom Käufer geplante zukünftige Nutzung beeinträchtigen könnte, sofern diese dem Verkäufer bekannt ist. Hahn unterstreicht, wie wichtig es sei, organisatorisch sicherzustellen, dass das gesamte Wissen im Unternehmen über die zu verkaufende Fläche zusammengeführt werde.

 

So verfährt auch ein in Hamburg ansässiges großes Immobilienunternehmen, dessen Namen aus Gründen der Kommunikationspolitik des Unternehmens nicht genannt werden soll. Ein Justiziar des Unternehmens, nennen wir ihn Jürgen Nord, empfiehlt, sämtliche verfügbaren Gutachten und sonstigen Dokumente zu Altlasten und Bodenverunreinigungen im Vertrag zu benennen und als Anlage beizufügen. Damit könne sich der Erwerber im Fall einer Inanspruchnahme nach BBodSchG nicht mehr auf Unkenntnis berufen. Zugleich sei dem Erwerber die Grundlage entzogen, später einmal auf Arglist basierende Ansprüche geltend zu machen.

 

Um eine Fläche marktreif zu machen, wird es außerdem eine planungsrechtliche Evaluation geben. Welche möglichen Nutzungen lässt das geltende Planungsrecht zu? Welche Nutzungen können etwa durch einen neuen Bebauungsplan genehmigungsfähig werden? Von anderer Seite im Unternehmen wird zu klären sein, für welche möglichen Nutzungen auf dem Markt ein Bedarf bestehen könnte.

Denn neben der Art der vorhandenen Belastung bestimmt auch die zukünftige Nutzung den Aufwand zur Sanierung. Soll die Fläche Wohngebiet werden, gelten andere Grenzwerte als für den Fall, dass dort zukünftig industrielle Produktion stattfinden soll. In einem Fall reicht die Abfuhr des Oberbodens, in einem anderen Fall muss metertief abgegraben werden. Mal kann der belastete Boden mit unbelastetem Material gemischt werden um die Grenzwerte einzuhalten, mal wird der Aushub vollständig abzufahren und als Sondermüll zu entsorgen sein. Die dafür zu erwartenden Kosten möglichst präzise zu ermitteln, ist ein entscheidender Schritt in der Vorbereitung des Verkaufs.

 

Sind der Umfang der Verunreinigungen und die möglichen Kosten der Beseitigung zumindest halbwegs eingegrenzt, stellt sich die Frage: Wer macht den Dreck weg? Da vertreten die potentiellen Verkäufer unterschiedliche Strategien. Bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben herrscht der Grundsatz, die Altlastenbeseitigung selber zu beauftragen. Denn es reicht nicht, dass am Ort der Belastung eine fachgerechte Sanierung stattfindet. Zusätzlich muss gewährleistet sein, dass das entnommene Material vorschriftsgerecht entsorgt und deponiert wird. Die Bonner IVG erledigt die Sanierung auch lieber selbst. Das Kostenrisiko wird aber zwischen Käufer und IVG verteilt. Soll die IVG die Sanierung durchführen, dringt Dr. Hahn darauf, die Zielwerte und die dafür notwendigen Maßnahmen im Vertrag festzuhalten. Der Notar beurkundet dann beispielsweise, bis zu welcher Tiefe der Boden ausgehoben wird.

 

Dagegen überlässt man beim Unternehmen des Justiziars Nord die Sanierung gerne dem Käufer. Und da kommt nicht jeder in Betracht. Möchte der Käufer in voller Eigenregie die Sanierung übernehmen, muss er nachweisen, dass er über die erforderliche Liquidität verfügt und sich außerdem durch ausreichend lange Präsenz am Markt und den Nachweis von Erfahrungen mit vergleichbaren Aufgaben qualifizieren. Zuvor hat man sich über die voraussichtlichen Kosten der Sanierung verständigt, die dann beim Kaufpreis berücksichtigt werden. Ein erfahrener Käufer wird womöglich noch einen eigenen Gutachter beauftragen, die Sanierungskosten zu verifizieren. Vorausgesetzt, dass die Vertragsparteien nicht von vornherein gemeinsam ein Sachverständigenbüro beauftragt haben.

 

Für nicht ganz so potente Erwerber und bei kleineren Flächen kommt eine abgestufte Variante in Betracht. Da übernimmt zwar auch der Erwerber die Sanierung, jedoch verpflichtet er sich diesbezüglich dem Verkäufer gegenüber zu völliger Transparenz und dazu, jede Maßnahme zu dokumentieren und nachzuweisen. Er erhält im Gegenzug die nachgewiesenen Kosten der Sanierung vom Verkäufer erstattet, jedoch nur bis zur Höhe der zuvor vereinbarten, voraussichtlichen Kosten. Wird diese Schwelle überschritten, teilen sich Käufer und Verkäufer die weiteren Kosten hälftig. Das Schwellenmodell soll den Erwerber motivieren, dafür Sorge zu tragen, dass die Sanierungskosten keinen solchen Umfang erreichen, dass er sich hälftig an den weiteren Kosten beteiligen muss.

 

Einhellige Empfehlung aller befragten Justiziare ist, im gesamten Prozess von Sanierung und Verkauf eng mit den zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten. Und zwar möglichst frühzeitig, so empfiehlt Dr. Volker Hahn, nämlich bevor irgendwelche Verwaltungsakte in der Welt sind, die die Sanierung und Entwicklung eines Gebiets unnötig erschweren. Denn im Rahmen der Entwicklung kann die Gefahrenabwehr durch Sanierung der Altlasten integriert werden. Dafür bieten das Baugesetzbuch mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan und das Bundesbodenschutzgesetz mit dem Sanierungsvertrag den geeigneten Rahmen. In Abstimmung mit der Kommune wird die künftige Nutzung planungsrechtlich festgeschrieben, woraus sich wiederum ergibt, welche Sanierungsmaßnahmen stattfinden müssen. Die den Bebauungsplan begleitenden städtebaulichen Verträge definieren dann im Dreieck zwischen Kommune, Verkäufer und Erwerber, wer welche Lasten trägt. Speziell für den Bereich der Sanierung ermöglicht Paragraph 13 Abs. 4 BBodSchG einen dreiseitigen Vertrag. Selbstverständlich bedarf die Ausgestaltung und Durchführung der sorgfältigen juristischen Begleitung durch die Rechtsabteilung.

 

Wie in allen Bereichen kann einem Unternehmen auch im Immobiliengeschäft ein aus guten Erfahrungen gewachsenes Vertrauen helfen. So erzählt der IVG-Justiziar von einem Fall, in dem eine belastete Fläche ohne Sicherheitsnetz auf einen neuen Eigentümer überging, weil das hierzu erforderliche vertrauen vorhanden war. Und so konnte sich eine ehemalige Deponie, für die auf absehbare Zeit planungsrechtlich keinerlei bauliche Nutzungsmöglichkeit zu erwarten ist, in ein exklusives Jagdrevier verwandeln.

 

Percy Ehlert

 

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