Gewerberaummietrecht: Rechtsprechung des Kammergerichts

Besprechung von Entscheidungen des Kammergerichts mit dem Senatsvorsitzenden Rainer Bulling

Am 19. November stellte der Vorsitzende des 8. Zivilsenats des Kammergerichts, Herr Rainer Bulling, Entscheidungen seines Gerichts zum Gewerberaummietrecht vor. Er griff dabei den Faden seiner Darstellungen 21 Monate zuvor, am 19. Februar 2013 auf.

Mit dem Beschluss vom 8.1.2014 in der Sache 8 U 132/12 (ZMR 2014, 352) hatte das Gericht auch einen GmbH-Geschäftsführer als Mieter betrachtet, nachdem der Vertrag sowohl die GmbH als auch den Geschäftsführer als Mieter vorsah. Der Geschäftsführer hatte nur auf der Zeile für die GmbH unterschrieben, jedoch ohne Vertretungszusatz. Damit sah das Gericht sowohl die GmbH wie auch den Geschäftsführer vertraglich gebunden.

Mit selbiger Entscheidung erkannte das Gericht dem Vermieter eine vom Mieter zu zahlende Mietdifferenz zu, nachdem der Mieter die Nutzung der Räume aufgegeben und die Zahlungen eingestellt und der Vermieter, trotz noch laufenden Mietvertrags, die Räume anderweitig und zu einem niedrigeren Zins vermietet hatte. Das Gericht hielt einen Anspruch gegen den Erstmieter nicht als Mietdifferenzschaden, sondern unmittelbar auf Erfüllung durch Mietzahlung in Höhe der Differenz zwischen Erst- und Zweitmiete für gegeben. Von Teilnehmerseite gab es die kritische Nachfrage, wie denn ein Erfüllungsanspruch gegeben sein könne, wenn doch der Vermieter nach Überlassung der Räume seinerseits dem Erstmieter keine Erfüllung bieten könne. Eine alle Teilnehmer überzeugende Sichtweise war in diesem Punkt nicht zu finden.

Keine Veranstaltung zur Gewerberaummiete kommt ohne neue Erkenntnisse zur Schriftform aus, es wäre sonst, als würde das Salz in der Suppe fehlen. Die diesbezüglichen Erwartungen der Teilnehmer bediente Richter Bulling mit zwei Entscheidungen seines Senats. Mit der einen (Urteil vom 28.10.2013, 8 U 181/12, GE 2014, 120) hatte das Gericht auf einen Mangel der Schriftform erkannt, nachdem die in der Vertragsurkunde auf den 3. Werktag bestimmte Fälligkeit der Mietzahlung nachträglich durch mündliche Vereinbarung auf das Monatsende verlegt worden war. Dagegen sah das Gericht die Schriftform gewahrt, indem Mieträume, die in der ersten Vertragsurkunde nicht hinreichend bestimmt waren, in einem eindeutig auf die erste Urkunde bezogenen Nachtrag exakt bestimmt wurden (Beschluss vom 2.6.2014, 8 U 179/13, MDR 2014, 1020).

Zum Thema Schriftformheilungsklausel ging Richter Bulling kurz auf die jüngste Rechtsprechung des BGH ein, nach der ein in den Vertrag eintretender Erwerber an die Heilungsklausel nicht gebunden ist. Mit Spannung wartet nun die Praxis darauf, ob daraufhin denn womöglich zukünftig die Rechtsprechung derartigen Heilungsklauseln auch unter den ursprünglichen Vertragsparteien keine bindende Wirkung mehr zumisst. Richter Bulling berichtete, dass sein Senat in der Vergangenheit die Schriftformheilungsklausel unter den ursprünglichen Vertragsparteien immer für wirksam gehalten habe. Er ließ jedoch ausdrücklich offen, ob sein Senat auch in Zukunft so urteilen werde.

Auch dem 8. Senat bleibt es nicht erspart, gelegentlich vom BGH aufgehoben zu werden. So geschehen zur Frage, nach welchem Recht denn Mischmietverhältnisse zu behandeln seien. Das Kammergericht hatte das Gewerberaummietrecht für maßgeblich gehalten mit der Erwägung, dass der Mieter seinen gesamten Lebensunterhalt in den Mieträumen erwirtschafte. Dagegen stellt der BGH den Schutz der Wohnung in den Vordergrund und sah das streitgegenständliche Mietverhältnis dem Wohnraummietrecht unterworfen (BGH, Urteil vom 9.7.2014, VIII ZR 376/13, NJW 2014, 2864, GE 2014, 1129). Man wird das vielleicht auf die Sentenz eindampfen dürfen: In dubio pro Wohnraummietrecht.

Ebenfalls nicht fehlen darf in einer solchen Veranstaltung das Thema Verwirkung. Wahrscheinlich wird jeder, der schon einmal einen zahlungsunwilligen Mieter vertreten hat, sein Glück auch mit diesem Argument versucht haben. Die Ausführungen von Richter Bulling bestätigen, dass der Einwand der Verwirkung zwar sehr beliebt, aber doch fast immer untauglich ist. Schon das neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment ist nur selten gegeben. Vollends fehlt es dann meistens an der Vermögensdisposition, die der Schuldner im Vertrauen auf die Verwirkung getätigt haben muss. In einem Fall hat der 8. Senat aber nun doch Verwirkung angenommen. Zwar waren die Voraussetzungen für das Aussetzen einer Mietstaffel weggefallen, jedoch hatte zwischenzeitlich der Mieter auf Aufforderung des Vermieters die Gegenleistung für das Aussetzen der Staffel erbracht. Daher sah das Gericht den Mieter nicht mehr verpflichtet, eine Nachzahlung aufgrund der Mietstaffel zu leisten (Urteil vom 8.11.2013, 8 U 71/13, MDR 2014, 208).

Einige Skepsis löste die Darstellung des Urteils vom 14.7.2014, 8 U 140/13, MDR 2014, 952, GE 2014, 1452, aus: Der 8. Senat hatte Wegfall der Geschäftsgrundlage angenommen, nachdem der Nutzungszweck als Spielhalle nicht zu verwirklichen war, weil die behördliche Genehmigung endgültig verweigert wurde, der Mieter die Räume jedoch weiter in seinem Besitz hielt und auch das Konzessionsrisiko ihm nicht wirksam zugewiesen worden war. Die Frage blieb offen, ob aufgrund der fortdauernden Nutzung durch den Mieter hier nicht eher ein Fortfall der Schriftform anzunehmen gewesen wäre, der dem Vermieter eine ordentliche Kündigung eröffnet hätte.

Neben der Darstellung von Urteilen ließ Richter Bulling sich einige obiter dicta entlocken. Es mögen Hinweise sein, die für manchen im Gewerberaummietrecht tätige Kollegen selbstverständliche Praxis sind. Bei den anwaltlichen Teilnehmern der Präsentation stießen sie jedenfalls auf dankbares Interesse. Aus Vermietersicht sei es regelmäßig sinnvoll, mit der Klage eine weitere Kündigung auszusprechen. Fehle beispielsweise einer ersten Kündigung eine vorangegangene Abmahnung, könne unter Umständen die erste Kündigung als Abmahnung zu deuten sein, die durch die Prozesskündigung vollzogen werde. Weiter war zu erfahren, dass nach dem Verständnis von Richter Bulling die BGH-Rechtsprechung zum Zurückbehaltungsrecht des Mieters in Höhe des drei- bis fünffachen der Mängelminderung so zu verstehen sei, dass nicht in einem Fall ein Zurückbehaltungsrecht in dreifacher, in einem anderen Fall in fünffacher Höhe angemessen sei. Vielmehr sei bei einem Zurückbehalt in Höhe des Fünffachen der (zutreffend bestimmten!) Minderungsquote grundsätzlich keine schuldhafte Vertragsverletzung gegeben. Diese Bemerkung setzte unausgesprochen voraus, dass der jeweilige Gewerberaummietvertrag keine wirksame Beschränkung des Zurückbehaltungsrechts vorsieht. Selbstverständlich könne er aber, so Richter Bulling, die Anwälte nur zu einer risikofernen Beratung ermuntern.

Herrn Vorsitzendem Richter Rainer Bulling sei gedankt für seine angenehm unaufgeregte Art der Darstellung, mit der er sich auch kritischen Erwägungen stellt. Herr Bulling wird hoffentlich auch zukünftig bereit sein, die Rechtsprechung seines Senats im kollegialen Gespräch zu erläutern. Die vorstehende Darstellung bietet nur einen Ausschnitt der besprochenen Urteile. Wer das volle Bild bekommen möchte, muss beim nächsten Mal selber kommen.

Percy Ehlert, Maître en Droit, Rechtsanwalt

 

Veröffentlicht im Berliner Anwaltsblatt Dezember 2014

Artikel als pdf-Datei: Rechtsprechung zum Gewerbemietrecht