Gewerberaummiete: Rechtsprechung KG 2015/2016

Ein weiteres Mal hat Rainer Bulling, Vorsitzender des 8. Zivilsenats beim Kammergericht, die Rechtsprechung des KG zum Gewerberaummietrecht vorgestellt. Anknüpfend an die Präsentationen am 19.2.2013 und 19.11.2014 referierte er am 8.6.2016 im DAV-Haus in der Littenstraße. Gewohnt unaufgeregt und bescheiden berichtete er überwiegend von Entscheidungen seines eigenen Senats. Dieser Bericht kann nur einige der von Herrn Bulling dargestellten Entscheidungen wiedergeben.

Einleitend erwähnte Herr Bulling den hohen Wert verlässlicher Rechtsprechung. Dies schließe selbstverständlich neue Überlegungen im Einzelfall nicht aus.

Eine Lotterie kann das Verwenden vorgefertigter Vertragsmuster sein. Im konkreten Fall mal nicht unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten, sondern bezüglich der Bestimmung des Vertragszwecks. Es war zu entscheiden, ob Wohnraummietrecht oder Gewerberaummietrecht anzuwenden sei. Eine ausdrückliche Bestimmung  fehlte. Das Gericht fand nur eine Klausel, die für eine Kündigung eine den wohnraummietrechtlichen Bestimmungen entsprechende Regelung vorsah. Diesen einzigen im Vertragstext auffindbaren Hinweis zur Rechtsnatur des Vertrages nahm das Gericht zum Anlass, einen Vertrag über Wohnraummiete anzunehmen. (8 U 192/14, Beschluss vom 27.8.2015, veröffentlicht in MDR 2015, 1288; GE 2015, 1397)

Eine qualifizierte Schriftformklausel hindert eine formlose Vertragsänderung nicht. So das KG in der Sache 8 U 207/15, Urteil vom 19.5.2016. Die Entscheidung ist zur Veröffentlichung vorgesehen. Mit einer qualifizierten Schriftformklausel verpflichten sich die Parteien, alles zu unternehmen, um der gesetzlichen Schriftform Genüge zu tun. Damit soll auch eine Kündigung unter Verweis auf fehlende Schriftform unterbunden werden. Durch die Pflicht zur Anpassung an die Schriftform sieht das Gericht die Parteien jedoch nicht gehindert, zunächst wirksam durch formlose Vereinbarung den Vertrag zu ändern.

Im Verhältnis der ursprünglichen Vertragsparteien hält das KG eine Schriftformheilungsklausel für wirksam. Mit diesem Beschluss vom 9.5.2016 in der Sache 8 U 54/15, der ebenfalls zur Veröffentlichung vorgesehen ist, bestätigt der Senat seine bisherige Rechtsprechung. Diese stand aber auf dem Prüfstand, nachdem der BGH eine Schriftformheilungsklausel im Verhältnis zum Erwerber für unwirksam befunden hatte. Das ist mit dem Erwerberschutz zu begründen, dem letztlich die Schriftform dienen soll. Die ursprünglichen Vertragsparteien hält das KG für diesbezüglich nicht schutzwürdig.

Im Fall einer Doppelvermietung werden Schadensersatzansprüche wegen Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung nicht etwa monatlich für den jeweiligen Monat fällig. Vielmehr beginnt die Verjährung vom Schadensersatzansprüchen einheitlich. Bezüglich dieses Urteils vom 23.2.2015 in der Sache 8 U 52/14 (veröffentlicht in MDR 2015, 581  und GE 2015, 653) ist eine Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BGH anhängig. Für die Praxis dürfte die Entscheidung bedeuten, dass der Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung für die gesamte Vertragslaufzeit sofort einzuklagen ist.

Wegen eines öffentlich-rechtlichen Gebrauchshindernisses kann die Miete schon vor einer förmlichen behördlichen Nutzungsuntersagung gemindert sein. Mit Urteil vom 23.5.2016 in der Sache 8  U 10/15 (wird veröffentlicht) hat der Senat auf eine Minderung der Miete schon vor Eintreten einer Nutzungsuntersagung erkannt, da im zu entscheidenden Fall dem Mieter wegen eines hohen Investitionsaufwandes eine (die Nutzungsuntersagung erst auslösende) Aufnahme der Nutzung nicht zuzumuten gewesen sei. Der Senat grenzt sich damit von einem BGH-Urteil vom 20.11.2013 (XII ZR 77/12) ab, nach dem eine tatsächliche Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs regelmäßig erst bei Vorliegen einer unanfechtbaren Nutzungsuntersagung anzunehmen ist.

Ob das Zurücklassen von Gegenständen durch den Mieter nach Ende des Mietverhältnisses eine Vorenthaltung der Mietsache bewirkt, muss wohl weiter im konkreten Einzelfall entschieden werden. Das Zurücklassen von Sperrmüll im Keller begründet keine Nichterfüllung der Räumungspflicht, Beschluss vom 13.4.2015, 8 U 212/14. Dagegen hat der Senat bei Zurücklassen von zwei Trockenbauwänden, einer Wand aus Glasbausteinen und einer Solariumskabine nebst Dusche eine Vorenthaltung der Mietsache angenommen, Beschluss vom 7.8.2015, 8 U 22/15.

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung einer Mietminderung  ist im Regelfall auf den Mietminderungsbetrag für ein Jahr zu schätzen, Beschluss vom 30.5. 2016, 8 W 13/16, wird veröffentlicht. Allerdings nimmt der Senat ausdrücklich keine Analogie zu § 41 Abs. 5 GKG an.

 
Percy Ehlert
Rechtsanwalt und Mediator
Immobilien- und Baurecht
ehlert@pielsticker.de

 

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